“Don’t get set into one form, adapt it and build your own, and let it grow, be like water. Empty your mind, be formless, shapeless — like water. Now you put water in a cup, it becomes the cup; You put water into a bottle it becomes the bottle; You put it in a teapot it becomes the teapot. Now water can flow or it can crash. Be water, my friend.” – Bruce Lee
Das Freitauchen oder auch Apnoetauchen, aus dem griechischem a-pnio: ohne zu atmen, bezeichnet das Tauchen ohne Zuhilfenahme unterstützender Atemgeräte. Diese Technik des Tauchens, welches in Küstengebieten unterschiedlicher Gewässer schon seit der Steinzeit zur notwendigen Nahrungsbeschaffung existiert, wird heutzutage vermehrt als Freizeitgestaltung ausgeübt. Das Bild des tauchenden Menschen wurde in der Antike ausführlich beschrieben, da es eine wesentliche wirtschaftliche Einnahmequelle zahlreicher Mittelmeerstädte ausmachte. Darauf stützen sich zahlreiche antike Mythen und Legenden. Die bekannteste und unterschiedlich gedeutete mythologische Figur Glaucus vermittelt die mythologische Figur eines Tauchers am stärksten. Einerseits wird er als sterblicher Fischer, der sich durch den Verzehr einer magischen Wasserpflanze in einen Wassermann und Meeresgott verwandelte, andererseits wird er als Sohn des König Minos beschrieben, der im 16. v. Chr. auf Kreta gelebt haben soll. Nachdem er in einem Topf aus Honig ertrunken sei, gab ihm der Göttervater Zeus das Leben zurück; von diesem Moment an verschwor sich Claucus des Schutzes der Fischer. Eine weitere Glaucus Legend erzählt über einen seiner beeindruckenden Tauchgänge, die selbst den Meeresgott Poseidon so sehr imponiert haben soll, dass er Glaucus in einen seiner Unterwasserpaläste einlud. Überwältig von der Schönheit dieser Unterwasserwelt vergaß Glaucus die Zeit, sodass er ertrank und nur noch sein lebloser Körper an die Oberfläche zurückkehrte. Diese Legenden beschreiben das Tauchen, in dem damals noch viel mystischen Medium Wasser, oszillierend zwischen Gefahr und Schönheit (auch wirtschaftlich) des Meeres.
Historische Aufzeichnungen von der Notwendigkeit die Luft anzuhalten, um Unterwasser zu verharren, gehen weit bis ins 9. Jahrhundert v. Chr. zurück. So zeugen assyrischen Steinreliefs über die Tätigkeiten tauchender Menschen. Auch Platon und Homer beschrieben um das 8. Jahrhundert v. Chr. Schwammtaucher, welche in Tiefen von 30 Metern hinunter sanken, um die begehrten Badutensilien heraufzuholen. Des Weiteren wurden Taucher auch auf ägyptischen Zeichnungen dargestellt, welche zum Vergnügen ihrer Pharaonin Kleopatra Fische an Marcus Antonius Angel hängen. Aus solchen historischen Berichten und Anekdote über das Tauchen wird die Bedeutung im alltäglichen Leben, dieser vom Wasser dominierten antiken Ländern, aufgezeigt. Somit ist es nicht verwunderlich, dass ebenso über eine militärische Nutzung des Tauchens Belege existieren. Im antiken Griechenland wird ihr Einsatz, während der Belagerung Athens, zur geheimen Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln, beschrieben. Solche verdeckte Erwähnung von Tauchern zum Kampfeinsatz, zeigt sich anhand der römischen Spezialeinheit der Urinatores (vom lateinischen Verb „ūrīnārī“ – „abtauchen“ abgeleitet) im 4. Jahrhundert v. Chr., die hier vor allem für Infiltration, Spionage und Sabotage eingesetzt wurden.
Unter diesen ökonomischen und militärischen Druck entwickelte sich das Abtauchen des Menschen auch technologisch weiter. Von den Beschreibungen Aristoteles, der die Benutzung einfacher kleinerer Bronzekammern und ersten Schnorchel, die dem Taucher ein Luftreservoir unter Wasser zur Verfügung stellten, zu den Erfindungen der Renaissance durch Leonardo da Vinci, der den ersten pneumatisch betriebenen und aus Schweinehaut gefertigten Taucheranzug entwarf, dehnte sich die Dauer und Distanz der Tauchgänge mit jedem technologischem Fortschritt aus. Mit jeder neuen technologischen Stufe einer Tauchglocke, Schwimmflossen, Druckflasche, Tauchanzug oder den ersten Atemgeräten des Meeresforscher Jacques Yves Cousteau, versuchten die Menschen ihr Verlangen nach dem Tiefenrausch und der Neugier, welche in dem unbekannten Lebensraum lag, zu stillen. [1]
Das Freitauchen als Sport, im Gegensatz zum Schwimmen, weist erst eine junge Geschichte auf, die eher einer aufkommenden introvertierten Wettkampfsituation, als der gestiegenen Popularität, geschuldet ist. Der Individualsport bezieht seine Wurzeln auf das Überschreiten einer gewissen Wassertiefe durch den griechischen Taucher Haggi Statti. Man nahm bis dahin an, dass die Grenze von 50 Metern unter Wasser aufgrund des Drucks von keinem Menschen überschritten werden konnte. 1913 überschritt Haggi Statti, mit der gewöhnliche Bergung eines Ankers, die mystische Tiefengrenze von 50 Metern und kam aus einer Tiefe von 73 Metern zurück an die Oberfläche. [2] Dieser vor 101 Jahren aufgestellte inoffiziellen Rekord übte in einem überschaubaren Kreis von Tauchern eine solche Faszination aus, welche bis heute die Professionalisierung des Freitauchens bewegt. Die nun ausgetragenen Wettkämpfe werden von dem 1990 gegründeten Dachverband „Association Internationale pour le Dèvelopement de l`Apnèe“ (AIDA) organisiert. Dieser sportliche Ehrgeiz führte über verschiedene Disziplinen zu neuen Rekorden. Vom statischen Tauchen, bei dem Zeiten ohne Atemzüge von 11 Minuten überschritten werden, dem Streckentauchen mit Längen von bis zu 281 Metern oder dem Tiefentauchen mit Distanzen von 214 Metern werden einige der internationalen Bestmarken aufgestellt. Trotz eines institutionalisiertem Ausbau des Sportes, bleibt vermutlich aufgrund der spezifischen Anforderungen und körperlichen Grundvorrausetzungen, bis heute eine Popularisierung des Sports aus.[3] [4]
Dennoch sitzt, unberührt von einer technologischen wissenschaftlichen Notwendigkeit, die Faszination an der Erfahrung, der Wahrnehmung der Wassertiefen, im Freitauchen erhalten. Hier ersetzt die nach Innen gekehrte Entwicklung einer Körperbeherrschung, den technologisch motivierten Fortschritt. Die Evolution des Freitauchens wird nicht am technisch Machbaren, sondern am Grad der geistigen Konzentration und der individuellen Risikobereitschaft gemessen. Die mit der Zeit immer neuen Rekorde sind also nicht der nach Außen gerichteten Entwicklung (z.B. Wachstum von Muskelmasse) des menschlichen Organismus, welcher im wesentlichen seit Jahrhunderten identisch geblieben ist, sondern im Wesentlichen durch die innere Festigung des Geist bestimmt. Weiter gründet der Erfolg des Freitauchens, im Gegensatz zu anderen Sportarten, in der bewussten Reduktion der Körperfunktionen. Das Minimieren aller Körper- und Geistesfunktionen entscheidet über die Qualität eines Tauchgangs.
Der freiwillige Entzug der Atemluft ist eine Übergangskondition, in der ein Mensch nur wenige Momente überleben kann. Aber das bewusste Überschreiben eines natürlichen Zustands ist für das Abtauchen notwendig. [5] Sobald das Gesicht und die Extremitäten in Berührung mit Wasser kommen, wird durch Stimulation des Parasympathikus der sogenannte Tauchreflex aktiviert. Dieser Prozess führt zu einem Verlangsamung den Herzschlags und der Verringerung des Sauerstoffverbrauchs anderer Organe. [6] [7] Der Taucher begibt sich von hier in einen körperlichen aber auch mentalen Ruhezustand. Der Psychologie Professor Lugig Odoe, welcher sich mit den psychodynamischen Auswirkungen des Freitauchens beschäftig, spricht von einer Rückkehr des Tauchers zu seinem pränatalen Ursprung. Das Schweben im Wasser und der spürbare Druck der Umgebung verstärkt dieses Empfinden. [8] Dazu wird die Sinneswahrnehmung unter Wasser verzerrt, sodass Distanzen näher und Objekte größer wirken. Außerdem verringert sich in der Tiefe des Wassers, das Spektrum und Intensität des Lichtes, und endet mit der völligen Dunkelheit ab 60 Meter.[9]
Unter dem Wasserdruck liegen die Sinneshaarzellen im Gleichgewichtsorgan komplett von einer Körperflüssigkeit umhüllt und erzeugen durch ihre Bewegungsfreiheit das Gefühl von Schwerelosigkeit. Während zudem die Geräuschkulisse durch das Wasser geschluckt wird, bildet sich so ein andersartiger, der Oberfläche gegensätzlicher, Kosmos.[10]
Dieser Kosmos wird durch das Wasser, über seine empirische Stofflichkeit hinaus, zu einer vielschichtigen Metaphorik, an deren Anfang die Aussagen des antiken Philosophen Thales stehen. Durch Aristoteles erfahren wir, da Thales selbst keine Schriften überlieferte, dass Wasser den Anfang alles Seienden bildet: „ Das Wasser ist die ἀρχή (arche) alles Seienden“.
„Thales [...] bezeichnet als [...] Ursprung [arché] das Wasser [hydor]. Auch das Land, lehrte er deshalb, ruhe auf dem Wasser. Den Anlass zu dieser Ansicht bot ihm wohl die Beobachtung, dass die Nahrung aller Wesen feucht ist, das die Wärme selber daraus entsteht und davon lebt; woraus aber jegliches wird, das ist der Ursprung von allem. War dies der eine Anlass zu seiner Ansicht, so war ein andrer wohl der Umstand, dass die Samen aller Wesen von feuchter Beschaffenheit sind, das Wasser aber das Prinzip für die Natur des Feuchten ausmacht. Manche nun sind der Meinung, das schon die Uralten, die lange Zeit vor dem gegenwärtigen Zeitalter gelebt und als die ersten in mythischer Form nachgedacht haben, die gleiche Annahme über die Substanz gehegt hätten. Diese bezeichneten Okeanos und Tethys als die Urheber der Weltentstehung und das Wasser als das, worauf die Götter schwören. [...] Ob darin wirklich eine so ursprüngliche Ansicht über die Substanz zu finden ist, das mag vielleicht nicht auszumachen sein. Jedenfalls von Thales wird berichtet, dass er diese Ansicht von der obersten Ursache aufgestellt habe.“[11]
Dem griechischen Wort „archè“ weilt nicht nur die Bedeutung „erster sein“ inne, sondern auch die weitere Bestimmung „herrschen“. [12] Das Wasser wird damit nicht nur die Grundsubstanz, aus dem das Leben hervorgeht, sondern in Thales kosmologischer Ordnung zum „Alles Beherrschenden“ erweitert.
Der lateinische Schein des griechischen Wortes „archè“ verführt dazu Verbindungen zur abrahamitischen Schöpfungsmythologie zu schlagen. In der Erzählung über die Arche Noah erfahren wir über die göttliche Sintflut, dessen Wasser nicht nur in ihrer Vernichtungskraft beherrschte, sondern auch einen zivilisatorischen Neuanfang ermöglichte. Beherrschung und Anfang durch Wasser wären so wieder zu finden, wenn diese Verknüpfung nicht aus einem orthografisch linguistischem Fehler hervorgehen würde. Denn der Wortursprung von „Arche“, welcher in der Bibel verwendet wird, bezieht sich auf das lateinischen Wort „arca“, das mit „Kasten“ oder „Sarg“ richtig übersetzt wäre.[13] [14]
Dennoch wird mit Thales beschriebener Bestimmung des Wassers, der Beginn eines weiten philosophischen Diskurses der wandlungsfähige Materie des Wassers begonnen, nicht zuletzt da Thales den Anfang der abendländischen Philosophiegeschichte markiert. Ob es nun in der Analogie des Flusses für das Entstehen von Leben und Zeit ist, oder in Form des Ozeans bei Kant als Metapher einer Scheinwelt des Verstandes: [15]
„Wir haben jetzt das Land des reinen Verstandes nicht allein durchreiset, und jeden Teil davon sorgfältig in Augenschein genommen, sondern es auch durchmessen, und jedem Dinge auf demselben seine Stelle bestimmt. Dieses Land aber ist eine Insel, und durch die Natur selbst in unveränderliche Grenzen eingeschlossen. Es ist das Land der Wahrheit (ein reizender Name), umgeben von einem weiten und stürmischen Ozeane, dem eigentlichen Sitze des Scheins, wo manche Nebelbank, und manches bald wegschmelzende Eis neue Länder lügt, und indem es den auf Entdeckungen herumschwärmenden Seefahrer unaufhörlich mit leeren Hoffnungen täuscht, ihn in Abenteuer verflechtet, von denen er niemals ablassen, und sie doch auch niemals zu Ende bringen kann. Ehe wir uns aber auf dieses Meer wagen, um es nach allen Breiten zu durchsuchen, und gewiß zu werden, ob etwas in ihnen zu hoffen sei, so wird es nützlich sein, zuvor noch einen Blick auf die Karte des Landes zu werfen, das wir eben verlassen wollen.
Zuerst fragen wir, ob wir mit dem, was es in sich enthält, nicht allenfalls zufrieden sein könnten, oder auch aus Not zufrieden sein müssen, wenn es sonst überall keinen Boden gibt, auf dem wir uns anbauen könnten; zweitens, unter welchem Titel wir denn selbst dieses Land besitzen, und uns wider alle feindselige Ansprüche gesichert halten können“[16]
In diesem Spannungsfeld des Wassers, der metaphysischen Aura und der physisches Divergenz, schwebt der freie Taucher. Anders als es die Erde unter unseren Füßen erlaubt, ist es dem Menschen im Wasser möglich in dieser Materie versinken– in dieser Dichotomie schließlich unterzugehen oder aufzugehen.