Sinking Cities
Lexikon

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Babylon

Die Gegend am Euphrat, welche im heutigen Irak, südlich von Bagdad liegt, war 2400 v. Chr. die Geburtsstätte Babylons. Die vielen Chroniken und Geschichten berichten über Babylon als die Metropole wechselnder Völker, die Hauptstadt der Welt und das Zentrum Mesopotamiens. Zu ihrer ersten Bedeutung stieg die Stadt 1894 v. Chr. im altbabylonischen Königreich auf, das von den semitischen Stämmen der Amoriter und Sumu-abum gegründet wurden.[1] [2] Doch dieses babylonische Königreich war in dieser damals dicht besiedelten Region,[3] ständigen Regierungswechseln durch Eroberung anderer Völker ausgesetzt. Neben der Besetzung durch die Hethiter und anschließenden durch die Kassiten, kam das Königreich erst 800 v.Chr. durch die Hegemonie der Assyrer in eine von Stabilität geprägten neubabylonischen Dynastie.

 

Das Jahr 604 v. Chr. kennzeichnet Babylons Höhepunkt und spiegelt sich in der großen Einwohnerzahl von 200 000 wieder. Doch nur 69 Jahre später wechselten die Herrscher Babylons erneut unter der Eroberung des persischen Königs Achämeniden. Dieser konnte jedoch keine beständige Regierung durchgesetzten und so versank die Stadt bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. allmählich durch einen Mangel an natürlichen und menschlichen Ressourcen in der Bedeutungslosigkeit. Erst 1899 wurde Babylon vom Archäologen Dr. Robert Koldewey wieder entdeckt. Bis dahin waren die meisten urbanen Strukturen im Wüstensand untergegangen, dennoch ließen sich manche bedeutende Architektur aus den Ausgrabungen rekonstruieren. Das wohl bekannteste Gebäude der Stadt bildete die Zikkurate Etemenanki, welcher der biblischen Erzählung vom Turm zu Babel entsprechen könnte. Der sakrale Stufenturm, der „das Haus, welches das Fundament von Himmel und Erde ist“[4], bildete das Zentrum des religiösen Kosmos der Babylonier und war Marduk, der höchsten Schutzgottheit der Babylonier, geweiht. In dem Schöpfungsmythos der Bibel wird der Turmbau durch das Eingreifen Gottes niemals fertig gestellt und verbleibt eine ewige Baustelle. Der Versuch der Menschen durch den Turmbau das Göttliche im Himmel zu erreichen wird durch Gott in der babylonischen Sprachverwirrung abgestraft. Das babylonische Reich versinkt in diesem Chaos.

 

Während des Lebenszyklus der Stadt, konnte diese vielen unterschiedlichen Kulturen als Hauptstadt dienen. Jeder dieser politischen Umstände wirkte sich auf die Blüte oder ihren Untergang als Stadt aus. So wird z.B. mit der neubabylonischen Epoche des Königs Nebukadnezar, die Stadt aus der „Übernahme“ erneut aufgebaut. Um auch seinen Herrschaftsanspruch im gleichen Maße zu erneuern, versieht er die zum Wiederaufbau gebrannten Ziegeln mit seinem Namen. Die Legitimation seiner Herrschaft wird durch den Akt des „Brandings“ der Stadt vollzogen. Auch wenn Nebukadnezenars Königreich, und die Stadt mit ihm, versunken ist, knüpfte Saddam Hussein an diesen Ritus der Machtbestätigung 1985 an: Er ließ Teile der Stadt rekonstruierten und versah die dafür verwendeten Steine ebenso mit seinem Namen und fügte den Zusatz „als Sohn Nebukadnzenar der rechtmäßige Nachfolger“ hinzu.

 

Durch die materielle Übernahme der Stadt, wollte Hussein an die Kontinuität eines Herrschaftsanspruches anknüpfen. Genau diese immaterielle Eigenschaft „Macht“ wurde an Babylon immer wieder materialisiert. Selbst in jüngerer Zeit, in der möglicherweise schon der „alte“ Objektfetischismus durch immaterielle Werte zu bröckeln begann, musste Babylon, oder eher gesagt die Rekonstruktion, noch einmal als Zeuge der veränderten Machtverhältnisse in der Golf-Region herhalten.

 

Denn als die US-amerikanischen Soldaten 2003 ihr Lager auf der Ausgrabungsstätte errichteten, wurde Husseins Babylon „geschliffen“ und damit seine politische Entmachtung vorausgenommen. [5]

 

In den glasierten Ziegeln der Stadt spiegelten sich die verschiedenen Herrschaftsansprüche ihrer Zeit wieder, und versetzten so die Stadt in eine Dynamik, welche ihren Wachstum oder den Untergang bedeutete.

Quellen

[1] Wikipedia Eintrag: Babylonien, http://de.wikipedia.org/wiki/Babylonien

[2] Hermann Schreiber/Georg Schreiber: Versunkene Städte. Ein Buch von Glanz und Untergang, Paul Neff Verlag Wien, Berlin, Stuttgart 1955. S. 114-121

[3] Andreas Exenberger: Wirtschaftspraktiken in Altmesopotamien, Working Paper 00/04, Universität Innsbruck 2000. http://homepage.uibk.ac.at/~c43207/die/

papers/mesopot.pdf (05.02.2014)

[4] Bernd Janowski / Beate Ego: Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kontexte. Forschung zum Alten Testament, J.C.B. Morh (Paul Siebeck) Tübingen, 2001. S. 238

[5] Joel Levy: Lost Cities. Versunkene Städte der Vergangenheit, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2008. S.28-30