Sinking Cities
Lexikon

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Troja

„A document [...] that has been written upon several times, often with remains of earlier, imperfectly erased and still visible [...]“/ „ scraped again“ [1]

 

Der Dichter Homer, dessen reale Existenz nicht mit Sicherheit belegbar ist,[2] überliefert in seinen Epen „Ilias“ und „Odyssee“ den Mythos der Trojanischen Kriege.[3] In diesen Erzählungen wird die Stadt Ilios beschrieben, welche in der trojanischen Ebene gelegen haben soll.[4] Diese mythologische Stadt Ilios, auch als Troja bekannt, ist Kernpunkt eines altertumswissenschaftlichen Streits, über die historisch reale Identität der Stadt. Die meisten Lokalisierungshypothesen verorten Troja auf dem Hisarlik Hügel nahe der Dardanellen, einer Meeresenge in der heutigen Türkei.[5] Auf diesem Hügel wurden bei unterschiedlichen Ausgrabungen zehn verschiedene Siedlungen entdeckt, welche übereinander auf den natürlichen Gesteinsschichten des Hügels lagen. Die städtischen Bebauungsschichten werden nach ihrer zeitlichen Datierung in Troja I (römisch eins) bis Troja X eingeteilt.[6][7] Nach diesem überraschenden Fund des städtischen Schichtkuchens, begannen erneut wissenschaftliche Identitätshypothese Homers Mythos innerhalb des künstlichen Hügels zu suchen. Anstatt den Mythos des trojanischen Krieges, und damit auch die Stadt Ilias, als fiktiven Sagenstoff[8] anzuerkennen, wird der Boden auf der Suche nach einem Authentizitätsanspruch aufgewühlt, um die wissenschaftliche Praxis selbst zu bestätigen. Was man eben nicht findet, ist das ein gewaltiges Troja, sondern verschiedene urbane Versionen eines Mythos, der von „Selbstvergewisserung, Ortsbestimmung und Identitätsfindung und Wahrung“ bronzezeitlicher Kulturen, griechischer Kolonialisten und römischen Siedlern in der Einfahrt zur Schwarzmeerregion berichtet. [9] [10] [11] [12] In der palimpsesten Qualität dieses städtischen Grabhügels, kann die Monumentalität der wehrhaften Stadt, der Mythos ihrer Uneinnehmbarkeit, durch 2000 Jahre urbane Prozessualität ersetzt werden, in welcher der Untergang erst das Fundament städtischer Erneuerung darstellt. An die Stelle einer Authentizitätsfrage Trojas, als finales Produkt einer Kultur, rückt der Fokus auf die Betrachtung der Konzeption von Kultur anhand der Dynamik einer Siedlungsstätte unter Bedingungen ökonomischer, politischer und natürlicher Veränderungen. Troja sollte vielmehr als bemerkenswertes Beispiel zeitlicher Sedimentierung verschiedener Versuche einer Stadt gelesen werden, die in einer von Zufälligkeiten und Eventualitäten belebten menschlichen und natürlichen Geschichte geformt worden ist. Dass kriegerische Verwüstungen, verschlingende Feuer oder zerstörerische Erdbeben eben nicht nur das Ende sondern auch den Anfang einer Stadt bedeuten kann.[13] In dem Probieren unterschiedlicher urbaner Strategien an dem gleichen Ort in aufeinander folgenden Epochen, wird der Prozess des Versinkens zum Übergang verschiedener Versionen von Urbanität deutlich.

 

 

Troja wurde nicht ausgetauscht gegen ein „New Troja“, sondern unterliegt ähnlichen Dynamiken wie beispielsweise eine Computersoftware, welche niemals ein „Ende“ hat, sondern durch ständiges „Updaten“ fortgeführt wird– zwischen Beta-Version und „Re-Launches“ versinken als dynamischer, multidimensionaler Zustand unserer Städte, in einer der Stringtheorie unterstellten Welt. [14]

 

„[...] Eine Möglichkeit dazu finden wir in der Stringtheorie. Sie zeigt uns den kleinsten Baustein unseres Universums – unseres Seins – auf, welche die vier uns bekannten, wissenschaftlich fundierten Kräfte (starke und schwache Radioaktivität, Gravitationskräfte und Magnetismus) als Erscheinungsformen ein und derselben Urkraft darstellt und damit die scheinbaren Widersprüche zwischen der Quantenphysik und der Relativitätstheorie vereinen kann.

Die primäre Aussage der Stringtheorie ist also, dass alle Elementarteilchen (z.B. Elektronen oder Quarks) nichts anderes als verschiedene Aspekte der sogenannten Strings sind. Die Theorie baut dabei auf 11 Dimensionen auf. Strings können wir uns als eindimensionale Fäden vorstellen, welche wie Seiten (daher auch der englische Name String) in einem vieldimensionalen Raum schwingen. Je nachdem, mit welcher Frequenz (Energie) und in welchen der Raumdimensionen die Strings schwingen, stellen sie nach den Vorstellungen der Stringtheoretiker genannte Elementarteilchen dar.“ [15] [16]

Quellen

[1] Georg Bornstein/ Ralph G. Williams: Editorial Theory in the Humanities,

University of Michigan 1993, GoogleBooks , http://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=D9rPHqyrTjAC&oi=fnd&pg=PA1&dq=Palimpsest&ots=oKX3XNrGK5&sig=R68nS0QT4WkU9K9HKbHN-vfFegE#v=onepage&q=Palimpsest&f=false (22.02.2014)

[2] Betreiber der Internetseite nicht bekannt, es wird folgende Quelle angegeben: Joachim Latacz: Homer. Der erste Dichter des Abendlands, Artemis München, Zürich 1989, S. 89-90, http://www.bhak-bludenz.ac.at/literatur/griech_antike/homer.htm (22.02.2014)

[3] Zeno.org Bibliothek: Homer, http://www.zeno.org/Literatur/M/Homer (20.02.2014)

[4] Brockhaus Conversations-Lexikon 1809: Troja, http://www.zeno.org/Brockhaus-1809/A/Troja (20.02.2014)

[5] Joachim Latacz: Entgegnung auf Wolfgang Kullmann. Besprechung von J. Latacz, Troia und Homer, in Gnomon 73, 2001, 657-663 , Dez. 2001, S. 3 , http://www.uni-tuebingen.de/troia/deu/lataczentgegnung.pdf (22.02.2014)

[6] Joel Levy: Lost Cities. Versunkene Städte der Vergangenheit,

Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2008, S. 40-44

[7] Joachim Latacz: Troia und Homer. Der Weg zur Lösung eines alten Rätsels. Koehler& Amelang. http://tocs.ulb.tu-darmstadt.de/128535490.pdf (22.02.2014)

[8] Elen Pallanzta: Der Trojanische Krieg in der nachhomerischen Literatur bis zum 5. Jahrhundert v. Chr., Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultäten der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br. 1997

[9] Zitat aus Elen Pallanzta: Der Trojanische Krieg in der nachhomerischen Literatur bis zum 5. Jahrhundert v. Chr., Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultäten der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br,

1997, S. 9, H.-J. Gehrke „Internationale Geschichte“

[10] Elen Pallanzta: Der Trojanische Krieg in der nachhomerischen Literatur bis zum 5. Jahrhundert v. Chr., Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultäten der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br. 1997, S. 9

[11] Elen Pallanzta: Der Trojanische Krieg in der nachhomerischen Literatur bis zum 5. Jahrhundert v. Chr., Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultäten der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br. 1997, S. 7-10

[12] Rasumow / Chasin: Versinkende Städte, Verlag Progress, Moskau 1984, S.32-44

[13] Joel Levy: Lost Cities. Versunkene Städte der Vergangenheit,

Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2008, S.44

[14] Interview: Pof. Gaberdiel über die Strings, Die Stringtheorie. Eine Welt aus Saiten, VMP Vereinsanzeiger 2008, https://vmp.ethz.ch/pdfs/vamps/vamp2008-3_winter.pdf (22.02.204)

[15] Internetseite: Stringtheorie, Architequus, 2012,

http://www.architequus.de/philosophie/phil-string.htm (22.02.2014)

[16] Wikipedia Eintrag: Stringtheorie. http://de.wikipedia.org/wiki/Stringtheorie (22.02.2014)