Sinking Cities
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SinkingCities.de sammelt Texte zum Begriff Versinken.

 

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Überlegungen zum Begriff Lexikon.

1. Mit dem Sprechen erhalten die menschlichen Zeichen die Macht Abseits des Körperlichen. Das niedergeschriebene Wort führt zur Macht des Geistes über den und die Körper. Wer Wörter festlegt, legt Herrschaft fest. [1]

2. Durch Aufzeichnungen wird diese Macht gesichert. Ein Grundgesetz ist eine Art Regel-Lexikon der Gesellschaftsstruktur. Verändert sich das politische System, werden mit ihm auch die Aufzeichnungen des Vergangenen vernichtet. Kaiser Qin Shi Huang, welcher den Bau der chinesischen Mauer in seiner Dynastie zur Sicherung seines Reiches veranlasste, ließ auch in einer der größten Bücherverbrennungen sämtliche Literatur, Gedichte und philosophische Schriften, welche vor der Gründung seiner Herrschaftszeit entstanden sind, vernichten. [2] Auch die Azteken ließen bei der politischen Übernahme einer neuen Adelsordnung, die alten Geschichtsbücher verbrennen, um mit der neuen Ordnung auch die Geschichte neu festzulegen. Eine Neutralität des Wissens existiert nicht, sondern wird von Gruppen festgelegt, verteidigt und gesichert. Sie legitimiert in der physischen Welt Herrschaftsansprüche. Im Transit aus einer körperlichen Welt des Schwurs zu einer immateriellen Welt des festgehaltenen Wissens übernimmt das Wissen die Vormachtstellung. [3]

3. Der griechische Ursprung des Wortes „Enzyklopädie“ verweist auf die mythologische Favorisierung des Kreises als Urbild der Ordnung.

4. In der Antike reichte eine runde Scheibe aus, um das Wissen über die Welt zu beherbergen. Das Schild des Achilles aus Homers 19. Gesang der Ilias trug das Verständnis des gesamten Kosmos auf sich, und zeigte die geschlossene harmonische Weltordnung ihrer Gegenwart wieder. [4]

5. Das Bild der Enzyklopädie in seiner Frühzeit war von einer göttlichen Ordnung bestimmt. Eine Sammlung von „Natur gegebenem Wissen“, in der die göttliche Macht und Herrlichkeit sichtbar wurde.

6. Wissen wird nicht nur in Worten sondern auch in Darstellungen, Skizzen, Modellen, Tabellen und Piktogrammen gesammelt.

7. SinkingCities.de versammelt Lexikonartikel zur Beschreibung und Analyse des Versinken- Begriffs. Das Online-Lexikon soll als Sammelbecken für neue Lemmata und ihrer Vernetzung fungieren.

8. Im Gegensatz zu einer traditionellen enzyklopädischen Sammlung, der Archivierung des Vernünftigen und dem Eliminieren des Unvernünftigen, soll in dem SinkingCities Lexikon auch das Unvernünftige seinen Platz finden.

9. Seit der Moderne hat sich die enzyklopädische Einheit in partikulares Wissen aufgespaltet.

10. In der Erkenntniskritik an dieser französischen Enzyklopädie entwickelte sich die Enzyklopädistik.

11. „der Funke der Erkenntnis soll sich dem Leser alleine in der Art und Weise entzünden, [...]. Thesen und Theorien in ihrer unerwartenden Konstellation (großer Unordnung), Reibung, Ergänzungen und produktiven Widersprüchen sollen zu Wissenserzeugung selbst führen.“ [5]

12. Der Lumpensammler steigt zum Herrscher auf.[6]

13. Das ehrgeizige Enzyklopädie-Projekt von Denis Diderot und J. le Rond d’Alembert im 17. Jahrhundert enthielt in 17. Textbänden 71.818 Artikel und 2885 Kupferstiche in 2885 Bildbänden. Eine Summe von 20 Millionen Wörtern. Schon während der Bearbeitung des Sammelwerkes war den Autoren bewusst, dass sie niemals das gesamte Wissen ihrer Zeit aufnehmen könnten – Dichotomie zwischen Optimismus und Selbstzweifel. Diderot war am Ende von der Uferlosigkeit seines Vorhabens frustriert.

14. Anfang des 18. Jahrhunderts umfasste die Yale Bibliothek circa 1000 Bände. Bereits im Jahr 1938 wuchs diese auf 2.748.000 Bücher an und wurde auf 129 Kilometern Regal untergebracht. Der Katalog zu dieser Bibliothek umfasste 10.000 Karteikästen. Die Prognosen für den Wachstum und Umfang der Bibliothek im kommenden hundert Jahren wurden auf 200 Millionen Bänden und 9.660 Kilometer Regal geschätzt.[7]

15. Bewusst über den unaufhörlichen Wachstum des menschlichen Wissens erfindet Vannevar Bush 1945 in der Funktion seiner fiktiven Maschine Memex, die technische Erweiterung unseres Gehirns. Die Memex-Maschine sollte dem Menschen hinsichtlich der Produktion, Speicherung und Nutzung seiner Aufzeichnungen und Dokumente helfen. Durch die Prinzipien der Miniaturisierung des Wissens auf Mikrofilm und der Darstellung willkürlich zugeordneter Informationen nebeneinander, welche das Abspeichern mittels assoziativer Zuordnung beim Menschen bewirken sollte, hat Bush mit seinem fiktiven Entwurf den Grundstein für die Idee des Hypertextes gelegt. [8]

16. Theodor Holm Nelson entwickelte die Memex 1960 in seinem Hypertext-Projekt Xanadu weiter. Sein „Docuversum“ sollte existierende und neu entstehende Dokumente in einer universellen Bibliothek miteinander Verknüpfen. Wären alle Informationen gleichwertig in derselben Struktur versammelt, wäre der Austausch der Dokumente untereinander problemlos möglich. Zitate und Fußnoten würden so überflüssig werden, da Textteile nahtlos von einem Dokumente ins andere implementiert werden könnten. Dateien würden so anwachsen und über eine Versionsverwaltung nachvollziehbar werden. [9]

17. Die kostenlose Online-Enzyklopädie Wikipedia umfasst rund 30 Millionen Artikel in 280 Sprachen. Die Wissens-Plattform wird momentan von 1.762.000 Nutzern und zahlreicher nicht registrierter Personen durch das Einpflegen von Artikel, das kollektive Korrigieren und Aktualisieren der Beiträge gebildet. Jeder Autor ist gleichberechtigt an der Wissensgenerierung beteiligt. Die aktuelle Größe der deutschsprachigen Wikipedia beläuft sich auf circa 30 GByte[10] und wächst stetig an.[11]

18. „Das Internet ist wie die Luft zum Atmen.“ [12]

19. 2014 beschloss das Print-on-Demand Unternehmen PediaPress die englische Version der Wikipedia Online Enzyklopädie in 1000 Büchern mit je 1200 Seiten auszudrucken.[13] Nach Meinung des Unternehmens soll damit die Arbeit der freiwilligen Autoren gewürdigt und die Ausmaße des aktuellen Wissens verdeutlichen werden. Paradoxerweise bewegt sich dieses Projekt gegen all das, wofür eine internetbasierte Enzyklopädie steht. Das geschaffene Symbol wird zum Götzenopfer für die längst legitimierte Herschafft des immateriellen Wissens.

20. Architektur als anleitende Kunst im Gegensatz zu den ausführenden Künsten. [14] Architektur basiert auf Wissen von Raum, und dem Wissen vom Bauen – aber als Produkte entstehen lediglich Anleitungen.

21. Architektur ist eine Disziplin der Ordnung. Der Architekt erschafft eine Ordnung von Materialien, ihrer Abfolge und der einzunehmenden Dimensionen. Der Architekt als Lexikograph des Raumes und Materials.

22. „Das Infinite-Monkey-Theorem [...] auch deutsch Theorem der endlos tippenden Affen, besagt, dass ein Affe, der unendlich lange zufällig auf einer Schreibmaschine herumtippt, fast sicher irgendwann alle Bücher in der Bibliothèque nationale de France, der Nationalbibliothek Frankreichs, schreiben wird. In englischsprachigen Ländern heißt es, dass so irgendwann die Werke William Shakespeares entstehen werden. Eine von mehreren Varianten des Theorems geht von einer unendlichen Anzahl von Affen aus, die gleichzeitig auf Schreibmaschinen herumtippen, und behauptet, dass mindestens einer von ihnen direkt und ohne Fehler die oben genannten Werke eintippen wird.

Die Formulierung des Theorems soll verblüffen und bedient sich daher einer bildlichen Sprache. Das Theorem ist wissenschaftlichen Ursprungs und hat einen mathematisch fundierten Hintergrund. Es verdeutlicht in Form eines Beispiels eine Aussage der Wahrscheinlichkeitstheorie, das Lemma von Borel und Cantelli. Das aus dem Theorem resultierende Gedankenexperiment kann bei der Vorstellung von Unendlichkeit und der Einordnung von Wahrscheinlichkeiten nützlich sein und wird auch zu diesen Zwecken gebraucht. Die Motive „unendlich viele Affen an Schreibmaschinen“, „ein ewig auf einer Schreibmaschine tippender Affe“ sowie „zufällige Entstehung von sinnvollen Texten“ fanden in Literatur und Popkultur Anklang und wurden vielfach benutzt. In einer künstlerischen „Performance“ mit Affen und Schreibmaschinen wurde der Realitätsbezug des Theorems untersucht.“ [15]

Quellen

1 Giorgio Agamben: Das Sakrament der Sprache. Eine Archäologie des Eides, Suhrkamp Verlag, Berlin 2008

[2] Gerd de Bruyn: Die enzyklopädische Architektur. Zur Reformulierung einer Universalwissenschaft, Edition ArchitekturDenken transcript Verlag, Bielefeld 2008, S. 41

[3] Gerd de Bruyn: Die enzyklopädische Architektur. Zur Reformulierung einer Universalwissenschaft, Edition ArchitekturDenken transcript Verlag, Bielefeld 2008, S. 54

[4] Gerd de Bruyn: Die enzyklopädische Architektur. Zur Reformulierung einer Universalwissenschaft, Edition ArchitekturDenken transcript Verlag, Bielefeld 2008, S. 39

[5] Gerd de Bruyn: Die enzyklopädische Architektur. Zur Reformulierung einer Universalwissenschaft, Edition ArchitekturDenken transcript Verlag, Bielefeld 2008, S. 133

[6] Gerd de Bruyn: Die enzyklopädische Architektur. Zur Reformulierung einer Universalwissenschaft, Edition ArchitekturDenken transcript Verlag, Bielefeld 2008, S. 101-105

[7] Stephan Porombka: Hypertext. Zur Kritik des digitalen Mythos. Diss, Wilhelm Fink Verlag, München 2001, S.37

[8] Vannevar Bush: As We May Think, The Atlantic Science Magazine, July 1945 , http://www.theatlantic.com/magazine/archive/1945/07/as-we-may-think/303881/?single_page=true (25.02.2014)

[9] Wikipedia Eintrag: Ted Nelson, http://en.wikipedia.org/wiki/Ted_Nelson (25.02.2014)

20 Stephan Porombka: Hypertext. Zur Kritik des digitalen Mythos. Diss, Wilhelm Fink Verlag, München 2001, S.69

21 Wikipedia Eintrag: Ted Nelson, http://en.wikipedia.org/wiki/Ted_Nelson (25.02.2014)

22 Wikipedia Eintrag: Ted Nelson, http://en.wikipedia.org/wiki/Ted_Nelson (25.02.2014)

[10] Internet: Wikipedia herunterladen & offline benutzen, PcWelt.de, http://www.pcwelt.de/ratgeber/Tipp-Wikipedia-herunterladen-offline-benutzen-273943.html (25.02.2014)

[11] Internet: Wiedergeburt eines Print-Dinosauriers. PediaPress will die komplette Wikipedia drucken, Buchreport,http://www.buchreport.de/nachrichten/nachrichten_detail/datum/2014/02/13/wiedergeburt-eines-print-dinosauriers.htm?no_cache=1&cHash=223d504504456e1a8d765cea62db84b3 (25.02.2014)

[12] Internet: Offline bin ich nur, wenn ich schlafe. Liebeserklärung an das Internet, SternOnline, http://www.stern.de/digital/online/liebeserklaerung-an-das-internet-offline-bin-ich-nur-wenn-ich-schlafe-2092881.html (25.02.2014)

[13] Internet: Verlag plant englische Printausgabe von Wikipedia, ZeitOnline Digital, http://www.zeit.de/video/2014-02/3254101551001/enzyklopaedie-verlag-plant-englische-printausgabe-von-wikipedia#autoplay (25.02.2014)

[14] Gerd de Bruyn: Die enzyklopädische Architektur. Zur Reformulierung einer Universalwissenschaft, Edition ArchitekturDenken transcript Verlag, Bielefeld 2008, S. 25

[15] Wikipedia Eintrag: Wikipedia, Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia (25.02.2014)