Sinking Cities
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New Orleans

Die Landschaft des amerikanischen Bundestaates Louisiana wird charakterisiert durch das Marschland mit vereinzelten Inseln aus Büschen und Bäumen, entlang einem der größten Flüsse der Welt, dem Mississippi. Die Mündungsarme des Fluss-Systems erstrecken sich über 804 Kilometer entlang der pazifischen Küste Nordamerikas, dem Golf von Mexiko. Der Fluss fließt durch zehn Bundesstaaten der USA; weitere 22 werden zum großen Teil davon durchdrungen. Dies entspricht einem Areal von ca. 40% der Kontinentalfläche der USA. [1] Die Landmassenbildung dieser Region geht auf einen 7000 Jahre langen Prozess massiver Sedimentablagerung im Flussdelta zurück. Die Chandeleur Inselkette, auf der New Orleans liegt, bildete sich durch erosionsbedingte Ablagerungen aus. Dieses Gebiet ist schon aufgrund des niedrigen Dichtegrads der oberen Sedimentschichten und der tektonischen Aktivitäten der Region einem natürlichen Versinkungsprozess ausgesetzt.[2] Beschleunigt wird dieser geomorphologische Setzungsprozess durch menschliche Umweltveränderungen, u.a. in Form vom massiven Abpumpen des Grundwassers. Diese Gegebenheiten bewirken seit 1940 eine Transformation von ungefähr 4050 Quadratkilometer Küstenmarschland zu offenem Gewässer.[3][4]

 

Bei dieser Beschreibung ist es nicht verwunderlich, dass der amerikanische Geograf Professor Peirce Lewis New Orleans als eine „impossible but inevitable city“ (eine unmögliche, aber zwangsläufige / (natur)notwendige / unabänderliche Stadt) bezeichnete, die quasi wörtlich aus dem Schlamm ihrer Umgebung heraus konzipiert wurde.

 

Diese erste amerikanische Stadt unter dem Meeresspiegel geht zurück auf die Siedlungsversuche französischer Kolonialisten. Die erbaute Gründungstätte der Franzosen orientierte sich an den kleineren Siedlungen der Cahokia Indianern, welche vor dem Eintreffen der Europäer bereits die Umgebung in einer einfachen Weise kultivierten und diese dadurch auch schon sehr früh formten.[5] Der Entdecker Pierre Le Moyne d`Iberville und seine nachfolgenden Brüder, auf welche die 1718 datierte Gründung der Stadt zurückgeht, setzten mit ihrer Aussage das zukünftige Schicksal der Stadt relativ genau: „Es ist undurchdringlich, ob wir diese Landschaft jemals kontrollieren könnten ohne sie ‚französisch’ zu machen.“[6] Auch wenn Le Moyne d’Iberville mit „französisch machen“ wohl in erster Linie den kulturellen Transfer seiner Heimat sah, wäre hier der Bezug zum französischen Gartenmodel der Ordnung und Abgrenzung interessant, welches die im Folgenden beschriebene Problematik an diesem Ort ganz gut widerspiegeln würde. Dieser „(to) battle the countryside“ zieht sich stringent durch die Geschichte.[7] Die anfänglichen Kultivierungsversuche von Weizen oder anderen mitteleuropäischen Pflanzen schlugen aufgrund der klimatischen Bedingungen fehl. So waren die Franzosen bald gezwungen sich zunächst dem Land, wie es vor ihnen die Ureinwohner getan haben, anzupassen und unterzuordnen. Erst als die Franzosen nach einigen Jahren ihre landwirtschaftlichen Versuche den natürlichen Gegebenheiten anpassten, indem sie Kulturpflanzen, welche den regionalen Umweltbedingungen besser angepasst waren, wie den Reis anbauten, war es den Neuankömmlingen möglich in der sonst feindlichen Umwelt eine urbane Population aufzubauen.

 

Mit der Grundsicherung einer stabilen Bevölkerung, begann der wohl folgenreichste Entschluss der Siedler. Zur Erweiterung ihres bewohnbaren Gebietes und Schaffung von Flächen für die Viehzucht begann man mit der Aufschüttung von Deichen. Durch massiven Sklaveneinsatz konnten die Grenzen der natürlichen Umwelt verschoben werden.[8] Die Konsequenzen des Deichausbaus wurden schon in den Anfängen der Befestigungsanlagen spürbar. Umso höher die Landbesitzer die Deiche aufschütteten, desto höher wurden Fluten von Jahr zu Jahr. Die kostspieligen Investitionen in die immer aufwendigeren und größeren Deiche forderten aber nicht nur die Transformation der Landschaft, sondern führten auch vom Konzept des adaptiven Umgangs mit der Dynamik des Ortes hin zur Unterwerfung der Natur.

 

So entwickelte sich aus dem bis 1763 feuchten und gefährlichen Ort eine bewohnbare Landschaft, die zunächst den Spaniern und dann 1803 dem Territorium der Vereinigten Staaten von Amerika übergeben wurde. Dieser historische Punkt markiert den Beginn der wichtigen Stellung von New Orleans, als südöstliche Vergrößerung des amerikanischen Handelsnetzwerks. Unter diesen neuen ökonomischen Herausforderungen wuchs die Stadt kontinuierlich und mit ihr der Schutz gegen das Wasser. Gleichzeitig erforderten aber neue landwirtschaftliche Zweige, wie der Baumwollanbau, die Veränderung des Flutschutzes. Die Trockenlegung der bis dahin natürlichen Drainagebecken wurde nötig. Eine Konsequenz daraus war der unaufhaltsame Ausbau der Deiche, um die Fluten des Mississippis noch kontrollieren zu können. Um 1900 wuchsen die Deiche teilweise über die Höhe eines Hauses hinaus..[9]

 

In der ständigen Wandlung der Einstellung der Menschen zu ihrer Umgebung kamen nun im Zeitalter der Dampfmaschinen weitere technologische Errungenschaften auf, welche die Vormachtstellung des Menschen im Kampf gegen seine Umgebung bestärken sollten. Als Wahrzeichen in der Geschichte von New Orleans und der Deltaregion für den vermeintlichen Sieg über das Wasser steht das Raddampfschiff. Dieses für damalige Zeiten extrem schnelle und für das teilweise sehr flache Gewässer des Mississippi Flusses gut geeignete Fahrzeug machte aus dem „Hinterland“ der Südspitze Louisianas das Zentrum des Handelsnetzwerks der USA an der Deltamündung. In diesem Triumph über die →Natur durch technologischen und sozialen Wandel, wurden die natürlichen Schutzfunktionen der Region, z.B. Bewaldung, vergessen. Denn für den unstillbaren Hunger nach Brennmaterial als Treibstoff, wurde die Abholzung der restlichen Waldgebiete vorangetrieben. Um 1842 wurden bis zu 75.000 Bäume abgeholzt.[10] Aber nicht nur das Dampfzeitalter veränderte erneut die Landschaft gravierend, sondern auch die Mentalität der Bewohner urbaner Siedlungen. Sie glaubten nun, mit Hilfe der übernatürlichen Technologie, ein Werkzeug für die Unterwerfung der Natur in ihren Händen zu halten. Genauso verhält es sich mit dem Deichbau in der Region, der nicht nur die Transformation der natürlichen Topografie, sondern auch eine gesellschaftliche Veränderung, auf die ich später noch einmal eingehen werde, nach sich zog. Die Geschichte des Deichbaus von Louisiana und New Orleans beginnt mit einfachen Erdanhäufungen, welche sich zu komplizierten Systemen aus künstlich errichteten Abflüssen und Flutbecken entwickelte. Hierbei markiert die Periode von 1846 bis 1869 eine wesentliche Änderung der Anlagen, die auch in den Swamland Act Dokumenten von 1850 festgehalten wurde. Die Überflutungen von der bis dahin zu 45% unter dem Meeresspiegel erbauten Stadt, nahmen von einem Abstand von durchschnittlich 5,8 Jahren auf durchschnittliche 2,6 Jahre[11] zu. Dies waren Folgen der massiv ausgedehnten Kultivierung der Landschaft und der damit verbundenen Erhöhung der Deiche, welches die Messlatte des ständigen Kampfes der Stadt mit dem Fluss zeichnete. Die ausschließliche Verwendung von Deichen zur Flutsicherung war um 1850 so ungenügend, dass die Regierung gezwungen war ihre Maßnahmen für den Schutz der Stadt auszubauen und durch Gesetze einheitlich für alle zu regeln. Ironischer Weise griff man auf die Systematik natürlicher Prinzipien des Flussdeltas zurück, welche vor den Eingriffen des Menschen durch flächige Überflutung von Feuchtgebieten die Regulierung des Mississippi Stroms übernommen hatte. So wurden künstliche Drainagebecken und Abflusskanäle als Erweiterung der Deichanlagen errichtet. Die Ingenieure Caleb Goldsmith Forshey und William Hewson, maßgeblich für die Planung verantwortlich, wollten so den Mississippi zu einem einzelnen Kanal bündeln, welcher durch die erbauten Abflüsse und Überflutbecken, unter die Kontrolle des Menschen gestellt werden sollte. Der Bau dieses künstlichen Korsetts des Flusses sollte eine Gesamtlänge von 1.619Kilometern betragen[12] und bis 1873 circa 41 Millionen Dollar verschlingen.[13]

 

Die einstige dynamische Koexistenz, welche bestimmte angepasste Siedlungsmuster erforderte oder sogar erzwang, ging bei der Abgrenzung durch mimetische Deichanlagen unter. Die charakteristischen Zwischenräume des früheren New Orleans, welche schwammig die Grenzen von Stadt und Natur ineinander verwoben, verschwanden hinter den meterhohen Deichen. Damit ging auch der Ausblick auf ein friedliches Zusammenleben von Mensch und Natur verloren, wie sich mit den Auswirkungen des großen Bauprojektes zeigen sollte.[14]

 

So konnten immer wieder die Wassermassen nicht ausreichend durch die künstlichen Abflüsse abgeleitet werden und die entstandenen Spalten in den Deichen zogen verheerende Überflutungen des urbanen Gebiets nach sich. Neben dem natürlichen Aggressor Wasser, begann die Spaltung der Interessen an der Nutzung des Landes ein weiteres Risiko für das Versinken der Stadt New Orleans darzustellen. Während die ansässige Agrarwirtschaft teilweise auf das Überflutungswasser angewiesen war, wie der Reisanbau, oder das Züchten einer bestimmten Flusskrebsart sogar Löcher in den Deichen benötigte, verwies die steigende Bevölkerungszahl auf den Bedarf urbaner Wohnflächen, welche durch die Deich- und Drainageanlagen geschützt werden mussten. Vom Jahr 1850 an nahm die Bevölkerung von New Orleans von 100 000 bis 1930 auf 450 000 zu.[15]

 

Das uneinheitliche Handeln der Bevölkerung, die daraus vernachlässigte Wartung der Schutzanlangen und die dramatische Beeinträchtigung des Ökosystems des Mississippi-Deltas führten so nicht nur zur regelmäßigen Beschädigung der Stadt, sondern führten auch unaufhaltsam zur ersten katastrophalen Konsequenz im Jahr 1927. Obwohl die Mississippiflut von 1927 als eine der größten Katastrophen während Friedenszeiten in den USA gewertet wird, ist der Hergang relativ simpel. Als das Fassungsvermögen des Mississippi durch niederschlagsreiche Wintermonate erschöpft war, kam es während weiteren langanhaltenden Regenfällen im Mai zu einem Anwachsen des Flusses auf eine Breite von fast 100 Kilometern.

 

Als die Deiche durch Risse zu versagen begannen und die künstlichen Überlaufbecken überquollen, wurde zum Schutze New Orleans die Sprengung von Deichen mit Dynamit flussaufwärts genehmigt. Die Konsequenz war das bewusste opfern der Stadt St. Bernard Parish, welche Flussaufwärts von New Orleans lag.

 

Die Zerstörungen durch die Fluten waren größer als die Verwüstungen des großen Feuers von Chicago 1871 und die Vernichtungen durch die Erdbeben von 1906 in San Francisco zusammen. Die Kosten der Schäden beliefen sich auf 2,4 Millionen Dollar, was heutigen 12 Millionen entsprechen würde,[16] und 800 000 Menschen verloren in den Fluten ihre Häuser. Die Sprengung der Deiche und das Versinken der Stadt St. Bernard Parish, ein landwirtschaftliches Zentrum des Deltas, deutete auch einen Paradigmenwechsel in der sozialen Struktur der Bevölkerung an, hin zum städtischen Erhalt des urbanen New Orleans.[17] Diese erste „Abkehr“ von der Agrarwirtschaft schaffte die Grundlage für die aufkommende Schwerindustrie, welche mit ihrem massiven Ausbau nach dem Zweiten Weltkrieg zu neuen Problematiken und sozioökonomischen Machtkämpfen führen sollte.

 

Weitere Folgen der Mississippiflut waren große Abwanderungen der ärmeren, durch die Flutkatastrophe betroffenen, Bevölkerungsschichten, die sich der ersten Welle der „Great Migration“-Wanderbewegung vieler Afroamerikaner anschloss. Strukturell hinterließ die Flut neue Gesetzte zur Überwachung, der Sicherung und dem Ausbau des Flutschutzes. Die im Flood Control Act von 1928 zusammengefassten Gesetzte bewilligten paradoxerweise einen weiteren Ausbau der Deichanlagen zur Begradigung des Mississippiflusses, welcher zuvor maßgeblich zur Katastrophe von 1927 beigesteuert hat. So wurde nichtsdestotrotz, von den amerikanischen Streitkräften unterstützt, die längste Deichanlage der Welt errichtet.[18] [19]

 

Die nachfolgenden Jahre entging die Stadt zunächst größeren natürlichen Gefahren, denn die drei Hurricanes Flossy 1956, Carla 1961 und Hilda 1964 passierten nur knapp die Perimeter der Stadt. Aber auch als New Orleans im September 1965 vom einem der größten Zyklone Nordamerikas[20] getroffen wurde, entschied die Regierung Louisianas die Flutschutzmaßnahmen gleichermaßen fortzuführen und lediglich eine erneute Anpassung der Deiche vorzunehmen.[21] Die Verdrängung der Lebensmittelproduktion von 1947 bis 1967 durch Chemie- und Petroleumwerke erschuf aber eine neue Belastungen für den Fluss. Die nahezu zwei Jahrzehnte lang hochtoxischen Abwässer, welche ungefiltert in den Mississippi entlassen wurden, verursachten 1963 das erstes große Fischsterben. Diese Belastung schadeten der Landwirtschaft und hatte gesundheitliche Folgen für den Menschen. In der anthropogenen Degradierung der Wasserqualität des Mississippis, spiegelt sich das heutige Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt wieder. Alte Bezeichnungen des Mississippi als natürliche Lebensader des Landes weichen heutigen Namen wie „Cancer Alley“ (für den 200 Kilometer langen Flussabschnitt zwischen der Stadt Baton und New Orleans) oder „Dead Zone“ (entlang der Mündung zum Golf von Mexiko).[22]

 

Aber New Orleans blieb nicht am Rande seines vermeintlichen Untergangs stehen, sondern die Stadt und ihre Einwohner wurden im August 2005 diesem noch ein Stück näher gerückt. Zyklon Sandy erreichte mit Windgeschwindigkeiten von 280 km/h die höchste der fünf Saffir-Simpson Hurricane Windstufen, als dieser am 26. August auf New Orleans prallte. Auch wenn 80% der Bewohner dank der Frühwarnsysteme und des Notfallmanagements evakuiert werden konnten, mussten die Zurückgebliebenen und die im Superdome Football Stadion Zuflucht Suchenden sich das Wüten des Sturms, eingeschlossen von den Wassermengen, gegen ihre Stadt anschauen. Es war ein Heimsieg für die Flutwellen, welche diese Stadt schon bestens kannte. In einer sechs Meter hohen Wasserschicht versanken 80% des Stadtgebietes[23]. Die Industrie kam zu 95% zum Erliegen und die Gesamtkosten für den Staat beliefen sich auf über 100 Millionen US Dollar Sachschäden und weitere 40 Millionen Dollar Versicherungszahlungen. 1500 Menschen kamen ums Leben.[24] Nicht nur zeigte Katrina die Verwundbarkeit der Schutzstrukturen der Stadt auf, sondern offenbarte auch die tiefen Risse im sozialen Gefüge der Stadt auf. Denn hauptsächlich waren die ärmeren afroamerikanischen Gebiete der Stadt von den Fluten betroffen und es waren auch ihre Bewohner die zumeist zurückgelassen wurden. Die soziale Hierarchie der Stadt wurde auf einmal durch die Überflutung sichtbar; während die einflussreicheren und wohlhabenden Bewohner die höher gelegen Stadteile bewohnten, mussten sich die Ärmeren mit den gefährlicheren Gebieten zufrieden geben. Die einstige sozial heterogene Durchmischung der Wohngebiete der Stadt, aufgrund mangelnden Platzbedarfs, wurde durch die fortschreitende Trockenlegung der Feuchtgebiete und damit der weiteren Ausdehnung der Stadt, wie auch ihrer Abgrenzung zur Natur, weiter ausgebreitet und führte so zu einer stärkeren sozialen Trennung.[25]

 

Am „Alluvial New Orleans“ erkennen wir die Folgen menschlicher Manipulation eines natürlichen hydrologischen Systems. Gerade die primitivste Handlung, das Anhäufen von Deichen, verursachte unkontrollierbare Veränderungen des Systems und damit einen verheerender Eingriff in die gesamte Küstenlandschaft Louisianas. Aber trotz der Folgen für die städtischen Siedlungen in diesem durcheinander gebrachten System rafft sich die Stadt, der absurden Kraft eines Sisyphos gleichend auf und hält an der Bevölkerung des Gebiets weiter fest. Die Bevölkerung ist nach 2005, nach der Katrina Katastrophe, von 200.000 Bewohnern auf 343.829 in 2010 und in 2012 erwartenden 369.250 angestiegen.[26] 75% der zerstörten Häuser wurden entfernt oder wieder aufgebaut. Auch die Tourismusbranche läuft wieder an und hat die Stadt vor der amerikanischen Wirtschaftsrezession bewahrt. Man übernahm aus den Fehlern des Krisenmanagements 2005 neue Regelungen für das „Federal Emergency Management“ in 2006, um die Schäden kommender Naturgewalten zu reduzieren. Zum einen ist die Verbesserung von Infrastruktur wie Evakuierungsrouten und öffentlichen Gebäuden vorgesehen, zum anderen auch vorbeugend wirkende Maßnahmen, wie das Verhindern der Bodenversiegelung, werden angestrebt.[27][28] Auch soll das Netz der Drainageanlagen um weitere Pumpwerke erweitert werden, um das Fassungsvermögen der künstlichen Überlaufbecken zu erhöhen. Möglicherweise findet auch zum ersten Mal ein Einlenken in der Geschichte der Wehranlagen New Orleans statt.

 

Die Bedeutung hybrider Schutzzonen aus natürlichen Elementen, wie Muschelbänken und Marschland, und festen Barrieren wie sie unter dem Begriff  Living Shorelines momentan auch für andere von Flutwellen betroffene Städte entwickelt werden, könnten das Stadtbild, besonders der in vielen Gebieten zur industriellen und kommerziell degradierten Wasserfront, wider die starre Aufteilung, auf der viele Probleme der Stadt gründen, zu einem feingliedrigen Gewebe von öffentlichem und natürlichem Raum bewirken.

 

Aber auch mit diesen neuen Sicherheitsmaßnahmen bleibt die Zukunft der Stadt weiterhin ungewiss. Einerseits steht die Stadt immer aggressiver werdenden Umwelteinflüssen gegenüber; nach Klimaberechnungen der NOAA, National Oceanic and Atmospheric Administration, werden die Hurricanes zunehmend häufiger und stärker auf die Küsten des Kontinents prallen und weiter ist ein Meeresspiegelanstieg von 480 Millimetern in den nächsten 90 Jahren zu erwarten, was das ohnehin schon unter dem Meeresspiegel liegende New Orleans unaufhaltsam entgegensteht.

 

Andererseits bleibt New Orleans als Metropolregion mit 2.1 Millionen Jobs, welche 15% des Gesamtvolumens an Öl und Gas der USA fördern, weiterhin ein funktionierender wirtschaftlicher Motor der Vereinigten Staaten,[29] Das Verlassen dieser Region würde eine wirtschaftliche Katastrophe für das Land nach sich ziehen. Somit wird die Reibung der urbanen Strukturen der Stadt an ihrer längst selbstgemachten Umwelt weitergehen, solange es Geld in die Kassen der USA spült.[30] Die Risikobereitschaft der Amerikaner am Experiment New Orleans ist mit all ihren Konsequenzen ungehindert und hat möglicherweise erst die kulturelle Einzigartigkeit der Stadt hervorgebracht. Dass der Mensch nach circa sieben Jahren die meisten Folgen einer Naturkatastrophe vergisst, bestätigt nur das positive Momentum welches aus dem Versinken New Orleans zu lesen ist.[31]

 

„Darin besteht die verborgene Freude des Sisyphos. Sein Schicksal gehört ihm. Sein Fels ist seine Sache. [...] Der absurde Mensch sagt ja, und seine Anstrengung hört nicht mehr auf. Wenn es ein persönliches Geschick gibt, dann gibt es kein übergeordnetes Schicksal oder zumindest nur eines, das er unheilvoll und verachtenswert findet. Darüber hinaus weiß er sich als Herr seiner Tage. In diesem besonderen Augenblick, in dem der Mensch sich seinem Leben zuwendet, betrachtet Sisyphos, der zu seinem Stein zurückkehrt, die Reihe unzusammenhängender Handlungen, die sein Schicksal werden, als von ihm geschaffen, vereint unter dem Blick seiner Erinnerung und bald besiegelt durch den Tod. Derart überzeugt vom ganz und gar menschlichen Ursprung alles Menschlichen, ein Blinder, der sehen möchte und weiß, daß die Nacht kein Ende hat, ist er immer unterwegs. Noch rollt der Stein. […] Dieses Universum, das nun keinen Herrn mehr kennt, kommt ihm weder unfruchtbar noch wertlos vor. Jeder Gran dieses Steins, jedes mineralische Aufblitzen in diesem in Nacht gehüllten Berg ist eine Welt für sich. Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“

Der Mythos des Sisyphos: 6. Aufl., Reinbek, 2004, S. 159f.

Quellen

[1] Ari Kelman: A River and Its City. The Nature of Landscape in New Orleans, University of California Press Berkeley and Los Angeles, California 2003, S. 3, http://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=M8XQ3QcbqfMC&oi=fnd&pg=PR7&dq=new+orleans+sinking&ots=jwWcuTRBK9&sig=rYfpQUJYFoQiCrClMJm-W9gxxaE#v=onepage&q=new%20orleans%20sinking&f=false (21.01.2014)

[2] Virginia R. Burkett / David B. Zilkoski / David A. Hart: Sea- Level Rise and Subsidence. Implications for Flooding in New Orleans Louisiana, OSS Foundation 2008, S. 64, http://ossfoundation.us/projects/environment/global-warming/summary-docs/oss-reports/slr-research-summary-2008/Sea-Level-Rise.pdf (21.01.2014)

[3] Virginia R. Burkett / David B. Zilkoski / David A. Hart: Sea- Level Rise and Subsidence. Implications for Flooding in New Orleans Louisiana, OSS Foundation 2008, S. 64, http://ossfoundation.us/projects/environment/global-warming/summary-docs/oss-reports/slr-research-summary-2008/Sea-Level-Rise.pdf (21.01.2014)

[4] Virginia R. Burkett / David B. Zilkoski / David A. Hart: Sea- Level Rise and Subsidence. Implications for Flooding in New Orleans Louisiana, OSS Foundation 2008, S. 64, http://ossfoundation.us/projects/environment/global-warming/summary-docs/oss-reports/slr-research-summary-2008/Sea-Level-Rise.pdf (21.01.2014)

[5] Virginia R. Burkett / David B. Zilkoski / David A. Hart: Sea- Level Rise and Subsidence. Implications for Flooding in New Orleans Louisiana, OSS Foundation 2008, S. 17, http://ossfoundation.us/projects/environment/global-warming/summary-docs/oss-reports/slr-research-summary-2008/Sea-Level-Rise.pdf (21.01.2014)

[6] Craig E. Colten: Transforming New Orleans and ist environs. Centuries of change, Univeresity of Pittsburgh, Digital Research Library 2009, S. 7, http://digital.library.pitt.edu/cgi-bin/t/text/text-idx?c=pittpress;cc=pittpress;view=toc;idno=31735043682677 (21.01.2014)

[7] Craig E. Colten: Transforming New Orleans and ist environs. Centuries of change, Univeresity of Pittsburgh, Digital Research Library 2009, S. 22, http://digital.library.pitt.edu/cgi-bin/t/text/text-idx?c=pittpress;cc=pittpress;view=toc;idno=31735043682677 (21.01.2014)

[8] Craig E. Colten: Transforming New Orleans and ist environs. Centuries of change, Univeresity of Pittsburgh, Digital Research Library 2009, S. 33, http://digital.library.pitt.edu/cgi-bin/t/text/text-idx?c=pittpress;cc=pittpress;view=toc;idno=31735043682677 (21.01.2014)

[9] Craig E. Colten: Transforming New Orleans and ist environs. Centuries of change, Univeresity of Pittsburgh, Digital Research Library 2009, S. 45, http://digital.library.pitt.edu/cgi-bin/t/text/text-idx?c=pittpress;cc=pittpress;view=toc;idno=31735043682677 (21.01.2014)

[10] Craig E. Colten: Transforming New Orleans and ist environs. Centuries of change, Univeresity of Pittsburgh, Digital Research Library 2009, S. 60, http://digital.library.pitt.edu/cgi-bin/t/text/text-idx?c=pittpress;cc=pittpress;view=toc;idno=31735043682677 (21.01.2014)

[11] Craig E. Colten: Transforming New Orleans and ist environs. Centuries of change, Univeresity of Pittsburgh, Digital Research Library 2009, S. 89, http://digital.library.pitt.edu/cgi-bin/t/text/text-idx?c=pittpress;cc=pittpress;view=toc;idno=31735043682677 (21.01.2014)

[12] Craig E. Colten: Transforming New Orleans and ist environs. Centuries of change, Univeresity of Pittsburgh, Digital Research Library 2009, S. 75, http://digital.library.pitt.edu/cgi-bin/t/text/text-idx?c=pittpress;cc=pittpress;view=toc;idno=31735043682677 (21.01.2014)

[13] Craig E. Colten: Transforming New Orleans and ist environs. Centuries of change, Univeresity of Pittsburgh, Digital Research Library 2009, S. 80, http://digital.library.pitt.edu/cgi-bin/t/text/text-idx?c=pittpress;cc=pittpress;view=toc;idno=31735043682677 (21.01.2014)

[14] Craig E. Colten: Transforming New Orleans and ist environs. Centuries of change, Univeresity of Pittsburgh, Digital Research Library 2009, S. 84, http://digital.library.pitt.edu/cgi-bin/t/text/text-idx?c=pittpress;cc=pittpress;view=toc;idno=31735043682677 (21.01.2014)

[15] Craig E. Colten: Transforming New Orleans and ist environs. Centuries of change, Univeresity of Pittsburgh, Digital Research Library 2009, S. 119-121, http://digital.library.pitt.edu/cgi-bin/t/text/text-idx?c=pittpress;cc=pittpress;view=toc;idno=31735043682677 (21.01.2014)

[16] Craig E. Colten: Transforming New Orleans and ist environs. Centuries of change, Univeresity of Pittsburgh, Digital Research Library 2009, S. 126, http://digital.library.pitt.edu/cgi-bin/t/text/text-idx?c=pittpress;cc=pittpress;view=toc;idno=31735043682677 (21.01.2014)

[17] Ari Kelman: A River and Its City. The Nature of Landscape in New Orleans, University of California Press Berkeley and Los Angeles, California 2003, S. 100

[18] Ari Kelman: A River and Its City. The Nature of Landscape in New Orleans, University of California Press Berkeley and Los Angeles, California 2003, S. 100

[19] Matthew T. Pearcy: After the Flood. A Histroy of the 1928 Flood Control Act, Journal of the Illinois State Historical Society 1998, Vol. 95, No. 2 Summer 2002, University of Illinois Press, S. 180, https://dig.lib.niu.edu/ISHS/ishs-2002summer/ishs-2002summer172.pdf

[20] http://www.hurricanescience.org/history/storms/1960s/betsy/

[21] Ari Kelman: A River and Its City. The Nature of Landscape in New Orleans, University of California Press Berkeley and Los Angeles, California 2003, S. 122

[22] Matthew T. Pearcy: After the Flood. A Histroy of the 1928 Flood Control Act, Journal of the Illinois State Historical Society 1998, Vol. 95, No. 2 Summer 2002, University of Illinois Press, S. 178, https://dig.lib.niu.edu/ISHS/ishs-2002summer/ishs-2002summer172.pdf (21.01.2014)

[23] Internetseite: National Climatic Data Center. Special report on Hurricane Katrina, http://www.ncdc.noaa.gov/extremeevents/specialreports/Hurricane-Katrina.pdf (21.01.2014)

[24] Eric S. Blake / Christopher W. Landsea / Ethan J. Gibney: The deadliest, costliest, and most intense united states tropical cyclones from 1851 to 2012. And other frequently requested hurricane facts, NOAA Technical Memorandum, Florida 2011, http://www.nhc.noaa.gov/pdf/nws-nhc-6.pdf (21.01.2014)

[25] Ari Kelman: A River and Its City. The Nature of Landscape in New Orleans, University of California Press Berkeley and Los Angeles, California 2003

[26] Internetseite: U.S. Department of Commerce. Sate & County Quick Facts- New Orleans (city) Louisiana, http://quickfacts.census.gov/qfd/states/22/2255000.html (21.01.2014)

[27] Virginia R. Burkett / David B. Zilkoski / David A. Hart: Sea- Level Rise and Subsidence. Implications for Flooding in New Orleans Louisiana, OSS Foundation 2008, S. 70, http://ossfoundation.us/projects/environment/global-warming/summary-docs/oss-reports/slr-research-summary-2008/Sea-Level-Rise.pdf (21.01.2014)

[28] Keith Bea: Changes After Hurricane Katrina. A Summery of Statutory Provisions, Federal Emergency Management Policy CRS Report for Congress 2007, https://www.fas.org/sgp/crs/homesec/RL33729.pdf

[29] Ari Kelman: A River and Its City. The Nature of Landscape in New Orleans, University of California Press Berkeley and Los Angeles, California 2003

[30] NOAA`s National Climatic Data Center: Hurricane Katrina. A Climatological Perspective, Technical Report 2005, http://www.ncdc.noaa.gov/oa/reports/tech-report-200501z.pdf (21.01.2014)

[31] Eric S. Blake / Christopher W. Landsea / Ethan J. Gibney: The deadliest, costliest, and most intense united states tropical cyclones from 1851 to 2012. And other frequently requested hurricane facts, NOAA Technical Memorandum, Florida 2011, S. 6 , http://www.nhc.noaa.gov/pdf/nws-nhc-6.pdf (21.01.2014)